Rückblick

Spuren schreiben 2019

Die Gewinnerinnen und Gewinner des ersten Schaumburger Schreibwettbewerbs „Spuren schreiben“ sind aus rund 180 Einsendungen ermittelt worden.

Nach einer Vorauswahl der Jury erfolgte für die insgesamt 31 favorisierten Beiträge ein Kategorie übergreifendes Ranking, das Hannah Luise Richter mit dem Lied „Gute Nacht Estland“, Friederike Riess mit der Kurzgeschichte „Hasenleben“ und Maurizio Piro mit seinem Gedicht „Odium“ für sich entscheiden konnten.

Die prämierten Beiträge wirken authentisch nah am Geschehen. Sie setzen sich, ganz im Sinne des Wettbewerbs, kreativ und vertiefend mit Menschenwürde und Toleranz auseinander. Der geschickte Umgang mit Sprache, Rhythmus und Ton fordert die Leser emotional heraus und hinterlässt Spuren.

Einen Sonderpreis erhält das Video „Hugo Hirsch“, eine Gemeinschaftsarbeit von Mirna Tschersich, Anne Schifkowski und Rike Kölling. Mit minimalistischen Mitteln erzeugen die Schülerinnen in ihrem Werk ein beklemmendes Stück über das Verschwinden eines jüdischen Kindes, dessen Spur in einem Stolperstein hier in Stadthagen verewigt worden ist.

Zu der engeren Auswahl gehört auch der Film Herbstgeschichte, den ihr euch hier anschauen könnt.

Die offizielle Preisverleihung fand aufgrund der Corona-Maßnahmen im kleinen Kreis im Ratsgymnasium Stadthagen statt.

Wir gratulieren den Preisträgerinnen und Preisträgern und bedanken uns bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern sowie den beteiligten Lehrkräften für ihr Engagement und die vielen tollen Einsendungen.

Der nächste Wettbewerb startet 2022.

Grußworte der Literatin und Lyrikerin Dagmar Nick

Wer Ausgrenzung und Verfolgung zur Zeit des Nationalsozialismus erfahren oder bei seinen Mitmenschen miterlebt hat, und heute erneut erlebt, der weiß, dass man darüber sprechen muss, um die Weichen zu stellen für eine Zukunft in Menschenwürde und Toleranz.

Nach Kriegsende, als das volle Ausmaß der Naziverbrechen offenbar wurde, haben viele Überlebende der Konzentrationslager, aber auch andere Betroffene, die Untergetauchten, die ins Ausland Geflohenen, oftmals nicht über das Durchlittene sprechen können oder wollen.

In jener Zeit, zwischen 1945 und 1948, entstand bei mir zu diesem Thema eine Reihe von Gedichten. Eines der Letzten, das ich als Einundzwanzigjährige schrieb, habe ich später in keines meiner Bücher aufgenommen. Aber es wurde damals von mehreren Tageszeitungen abgedruckt, so dass es – wie sich 1983 herausstellte – auch nach 35 Jahren noch nicht ganz vergessen war. Da erhielt ich vom Braunschweigischen Landesmuseum eine Anfrage, ob ich einverstanden wäre, wenn man die erste Strophe dieses Gedichts in eine Gedenktafel für die Opfer der Naziherrschaft auf dem Friedhof von Wolfenbüttel einmeißeln würde. Das war eine große Ehre für ein kleines Gedicht, das auch eine Aufforderung sein mag für alle, die nicht wegschauen wollen, wenn Unrecht geschieht, die hinhören, Spuren aufsuchen und Spuren schreiben.

Neben Rose Ausländer, Ingeborg Bachmann und Hilde Domin gehört Dagmar Nick zu den wichtigen deutschsprachigen Lyrikerinnen nach 1945. Sie ist die Schirmherrin für das Projekt „Spuren schreiben“ und stellt exklusiv den Text „Kein schöner Land“, der ihre Erinnerungen an die Nazizeit in Deutschland thematisiert, für das Projekt zur Verfügung.

Den Text findest du hier: